Nach einer etwa zweiwöchigen Schrecksekunde ist die Zwangsabgabe des IWF auf alle Vermögen nun auch bei den traditionellen Medien in Deutschland angekommen, und zwar in Form einer kleinen dpa-Meldung. Diese ist eine Übersetzung der Pressemeldung des IWF, die der Währungsfonds auf seiner Website veröffentlicht.
Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten hatten darüber bereits am 17. Oktober berichtet (Original hier) – der Fairness halber muss darauf hingewiesen werden, dass vor uns schon einige Finanz-Blogs und vor allem große US-Medien wie das Magazin Forbes über das entsprechende IWF-Papier geschrieben hatten.
In einem Analyse-Papier hatten Strategen des IWF unter anderem die Möglichkeit einer einmaligen Vermögensabgabe in Höhe von 10 Prozent für alle europäischen Haushalte beschrieben.
Der IWF behauptet nun, dass es sich nur um ein „rein theoretisches Gedankenspiel“ handle, wie die FAZ berichtet. Das soll eine IWF-Sprecherin gesagt haben. Ob die gute Frau wirklich von einem „rein theoretischen Gedankenspiel“ gesprochen hat, wissen wir nicht: Das Zitat steht bei der FAZ interessanterweise nicht unter Anführungszeichen.
Aufschlussreicher ist da schon die Stellungnahme des IWF selbst. Leider liegt sie nicht auf Deutsch vor, weil der IWF Deutschland nicht für wichtig genug hält, um auf seiner Website die deutschen Sparer so zu informieren, dass sie in ihrer Muttersprache lesen können, was Sache ist.
Daher müssen wir den Text übersetzen. Er lautet:
„Als Antwort auf Falschmeldungen über einen angeblichen Vorschlag des Internationalen Währungsfonds (IWF) über Vermögenssteuern, teilt Herr Sanjeev Gupta, geschäftsführender Direktor der IWF-Abteilung für Fiskal-Angelegenheiten heute mit:
Eine analytische Box in der neuesten Ausgabe des Fiskal Monitors beschreibt eine Reihe von externen Diskussionen und Erfahrungen hinsichtlich einer einmaligen Vermögensabgabe. Es wird auch auf die bedenkenswerten Nachteile (downside risks) einer solchen Abgabe hingewiesen. Eine solche Vermögens-Steuer wird ausdrücklich nicht empfohlen.
Die analytische Beschreibung des Gegenstandes im Fiscal Monitor sollte nicht als ein politischer Vorschlag des IWF missverstanden werden, welcher nicht existiert.“
Der IWF wendet in seiner Beschwichtigung eine raffinierte Methode an – indem er sich nur auf die legendäre rote Box auf Seite 49 des Papiers bezieht.
Doch diese Box steht nicht irgendwo auf dem Himalaja: Sie steht im Kontext der Suche nach Steuer-Reformen, die die aus dem Lot geratenen Schulden-Haushalte sanieren sollen.
Steuersenkungen werden das ja wohl nicht bewirken.
Das ganze Papier handelt davon, wie die Schuldenkrise durch höhere Steuern gelöst werden kann. Es geht um gar nichts anderes.
In diesem Kontext bekommt die vom IWF erwähnte Box eine ganz andere Bedeutung.
Hier ist die Rede von den Nachteilen der Zwangsabgabe. Diese Nachteile sind jedoch nicht so beschrieben, dass der IWF sagt, eine solche Enteignung sei eine rechtlich äußerst problematische Idee – und sollte deshalb gleich wieder in den Schubladen verschwinden.
Die Nachteile der Zwangsabgabe sieht der IWF ausschließlich in der Gefahr, dass die Bürger sich der Abgabe durch Steuerflucht entziehen könnten.
Hier heißt es, dass es reiche Erfahrungen mit einer solchen Zwangsabgabe gäbe, wie sie „in Europa nach dem Ersten und in Deutschland und Japan nach dem ZweitenWeltkrieg“ durchgeführt wurde.
Die Überlegungen des IWF gehen nun dahin, welche Probleme bei der Einhebung entstehen könnten:
„Wie von Eichengreen (1990) analysiert, zeigt die Erfahrung: Viel stärker als ein Verlust der Glaubwürdigkeit wirkte das simple Scheitern der Schulden-Reduzierung (durch die Zwangsabgabe, Anm. d. Red.), vor allem, weil dieVerspätung der Einführung Raum für weitgehende Vermeidung(Steuerflucht, engl. avoidance) und Kapitalflucht gab – welche in der Folge eineInflation auslöste.“
Die Sorge um die Steuerflucht triebt die Finanz-Eliten seit geraumer Zeit um: Auf dem G-20-Gipfel in Moskau wurde vor einigen Wochen – von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt – beschlossen, dass die Steuerbehörden weltweit künftig technisch zusammengeschlossen werden sollen: Der weltweite Zugriff auf die Vermögen ist ab 2015 möglich (ausführlich hier).
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte nach der Zypern-Zwangsabgabe lachend im ZDF verkündet, „dass Bankeinlagen eine sensible Sache sind, daher macht man so etwas am Wochenende“ (mehr hier).
Das Statement, dass der IWF eine solche Abgabe nicht vorschlägt, ist nur insoweit wahr, als die besagte Box in der Tat eine Analyse-Box ist.
Doch im „Executive Summary“ steht ausdrücklich, dass der IWF eineVermögensabgabe für eine Lösung der Schulden-Krise hält:
„Im Prinzip bieten Steuern auf Vermögen auch ein signifikantes Erlös-Potential zu relativ niedrigen Effizienz-Kosten. Ihre Wirksamkeit in der Vergangenheit war alles andere als ermutigend, aber das könnte sich ändern, weil durch steigendes öffentliches Interesse und verstärkte internationale Zusammenarbeit Unterstützung gewähren und die Möglichkeiten der Steuerflucht reduzieren.“
Damit ist klar, was der IWF will: Die Zwangsabgabe war in der Vergangenheit nicht erfolgreich, weil die Steuerzahler vor ihr fliehen konnten. Sie kann jedoch die Euro-Schulden-Krise auf das Vor-Krisen-Niveau zurückführen: Zu diesem Zweck wurde in der ominösen roten Box errechnet, wie viel die Besteuerung aller europäischen Vermögen ergeben würde.
Zufall?
Warum berechnet der IWF nicht die Vermögen aller Amerikaner oder aller Chinesen oder Öl-Scheichs?
Warum die Europäer?
Die Schlussfolgerung im Executive Summary sagt das Gegenteil dessen, was Herr Gupta nun in seiner „Mitteilung“ behauptet: Eine Vermögenssteuer ist eine realistische Option, sie muss nur so gemacht werden, dass es für die Sparer kein Entrinnen gibt.
Die – rein zufällige – Auswahl des europäischen Vermögens sollte auch den Deutschen Anlass zu größter Wachsamkeit sein. Denn die IWF-Experten haben eine konkrete Vorstellung: Sie legen ihrer Berechnung die Netto-Vermögen aller Haushalte zugrunde.
Da denkt die ganze Welt an Deutschland.
Bei Tag und bei Nacht.
In einem n-tv-Interview sagt Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING-Diba, dass eine solche „Spielerei“ allenfalls für südeuropäische Staaten in Frage kommt. Er räumt jedoch ein, dass der IWF mit der Idee „die Diskussion angestoßen“ habe.
Der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, macht sich schon konkrete Gedanken. Er sagte dem Handelsblatt: „Sinnvoll könnte eine Vermögensabgabe für sehr hoch verschuldete Länder sein, deren Bürger über beträchtliche Finanzvermögen verfügen.“ Selbstgenutzte Immobilien sollten jedoch ausgenommen sein, weil sonst die Hauseigentümer Schulden für die Steuer machen müssten.
Die Welt berichtet, dass ein Experte des DIW meint, dass die Zwangsabgabe in Italien und Griechenland ein „sinnvolles Instrument“ sein könnten.
Vor Deutschland wollen Banker, Experten und Medien die Debatte tunlichst fernhalten: Der DIW-Mann sagte, dass die Deutschen ohnehin schon genug Steuern zahlen.
Und der Focus gibt gleich vollständige Entwarnung:
„Im Klartext: Solange es den Banken in Deutschland gutgeht, sie Gewinne schreiben und in der Lage sind, ihre Kapitalpolster aufzustocken wie zuletzt geschehen, haben die deutschen Sparer nichts zu befürchten – weder mit einem Kontostand unter 100.000 Euro noch jenseits davon.“
Schön wär’s.
Doch die Fakten, Fakten, Fakten sehen anders aus: Um die Euro-Zone zu entschulden, müssen die deutschen Sparer einbezogen werden. Sonst stimmt das vom IWF – rein zufällig, doch sehr akkurat – erstellte Rechenbeispiel nicht: Würde man nur Italien auf diese Weise aus der Schulden-Falle holen, müsste die Italiener eher 20 Prozent zahlen. Von den Griechen wollen wir gar nicht reden.
Die IWF-Zwangsabgabe funktioniert nur, wenn die europäische Gemeinschafts-Haftung erzwungen wird.
Der ehemalige Euro-Gruppenführer Jean-Claude Juncker hat dem Spiegel im Jahr 1999 zu Protokoll gegeben:
„Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“
Genau darum geht es mit dem Vorschlag des IWF.
Der IWF kann der Welt natürlich nichts befehlen.
Doch die Banken wollen von den Schuldnern ihr Geld zurück.
Die Schulden haben die Regierungen gemacht. Sie müssen das Geld auftreiben.
Die konkreten Details sind der Politik überlassen – da wird sich der IWF die Finger nicht schmutzig machen.
Sie müssen sich überlegen, wie sie an das Geld kommen, das ihnen nicht gehört.
Viel Spielraum haben die Schulden-Politiker nicht.
Doch ein Privileg bleibt ihnen.
Sie werden das Wochenende bestimmen.
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